Die Bayer AG digitalisiert sukzessive die Dokumentation ihrer bereits installierten TGA-Systeme. Angesichts hunderter Liegenschaften weltweit ist dies kein kleines Unterfangen. Begonnen haben die Verantwortlichen mit der Suche nach geeigneten Softwaretools. Mitte 2022 startete dann ein Pilotprojekt zur Erarbeitung eines Bayer-internen, gewerkeübergreifenden Digitalstandards. Geschaffen wurde eine unternehmensweit nutzbare Daten-Vorlage für die möglichst effiziente und einheitliche Digitalisierung bestehender TGA-Systeme. Eine zentrale Rolle für die harmonisierte und global durchgängige Verfügbarkeit der digitalen TGA-Informationen in Bayer-Projekten spielt seitdem die TGA-Planungssoftware MagiCAD für Revit.
Mit ihrer Pharmasparte gehört die Bayer AG zu den größten Life-Science-Konzernen der Welt und blickt nicht grundlos auf über 160 Jahre Unternehmensgeschichte zurück: Man machte nicht bei der Markteinführung von Aspirin Halt – Innovation hat hier Tradition. Für Kopfzerbrechen sorgte aber ein internes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel der digitalen Erfassung von bestehenden Systemen der technischen Gebäudeausrüstung. Die berüchtigte „Serviette“, auf der man einen groben Installationsplan kritzelte, war auch hier mehr als bloß Mythos. Mit den erklärten Unternehmenszielen, den Bayer-Gebäudebestand über den kompletten Lebenszyklus hinweg digital abzubilden und zu betreiben sowie Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen, war dies unvereinbar.
Digitale Abbildung der TGA-Systeme verbessert Betriebsführung bei Bayer
Michael Göbel (Group Head of Building Utilities der Bayer AG) und Justyna Wanska (Group Head of Computer Aided Engineering & Building Information Modeling Support der Bayer AG) treiben das Projekt der TGA-Bestandsdigitalisierung voran. Zunächst bedeutete dies, den Mehrwert für das Unternehmen zu verdeutlichen.
Der digitale Zugriff auf TGA-Daten ermögliche Bayer nicht nur effizientere technische Planungen, sondern verbessere auch die Betriebsführung, ist Michael überzeugt. Er erklärt:
„Von der Planung bis zur Ausführung wollen wir alles digital abwickeln. Wir möchten Gebäude digital betreiben, indem wir Daten aus dem digitalen Tool zu SAP übertragen, um Wartungspläne zu erstellen oder Umbauten anzustoßen. Von der Digitalisierung der technischen Gebäudesysteme profitieren also nicht nur die Planungsingenieure, sondern auch Facility Manager und andere Abteilungen, die mit dem Gebäude zu tun haben.“
Zum Thema unternehmensweite Klimaziele fügt er hinzu: „Gerade in der Pharmaproduktion, wo wir aufgrund von Lüftungsanlagen viel Energie verbrauchen, ist es entscheidend, diese Gebäudebereiche digital zu analysieren. Dann können wir sie energieeffizienter und umweltfreundlicher gestalten. Die Digitalisierung der TGA-Systeme ist ein bedeutender Faktor, um CO₂-Neutralität zu erreichen.“
Engineering-Realität: Kostspielige Bestandsaufnahmen vor jeder Umbaumaßnahme
Vor Sanierungen, Umbaumaßnahmen oder Erweiterungen der bestehenden Bayer-Liegenschaften seien bislang oft zeit- und kostenintensive Bestandsaufnahmen erforderlich. Es stelle sich immer wieder heraus, dass für bereits installierte TGA-Systeme keine zuverlässigen Daten vorliegen. Michael führt aus:
„Wie bei Bestandsgebäuden heute noch gängig, waren auch bei uns die Gebäudedaten meist nur in Papierform oder als PDF vorhanden. Zum Betreiben der Gebäude waren sie nicht notwendig. Wurden doch Auslegungsdaten gebraucht, mussten wir sie wieder neu erstellen. Und wir sind zu 80% in Umbauprojekten, also Bestand, unterwegs.“
Justyna betont:
„Wir sprechen hier von jährlich mehr als 50 Projekten. Unser Ziel ist es, diesen Kreislauf zu durchbrechen und alle relevanten Daten digital zur Verfügung zu stellen, damit wir nicht bei jedem Projekt wieder bei null anfangen müssen.”
Das Pilotprojekt: Etablierung einer digitalen Standardkonfiguration für die TGA-Bestandsplanung
Das Projektteam um Justyna und Michael konzentrierte sich zuerst auf die Einführung geeigneter Tools und Software. Diese stellen die Entwicklung eines global einheitlichen digitalen Planungsstandards bei Bayer sicher. Ziel war die Verfügbarkeit eines einheitlichen Grundgerüsts für z. B. Berechnungsstandards, Bauteilinformationen, wie sehen in einem Modell die Ebenen aus oder wie sind die Gewerke aufgeteilt.
Justyna begründet diese Herangehensweise mit der Menge an Standorten, Gebäuden sowie den jeweils genutzten unterschiedlichen Standards: „Es gibt tausende Pläne, die wir harmonisieren müssten. Wir ändern nicht alles auf einmal, sondern haben zuerst eine Standardkonfiguration für die digitale TGA-Planung entwickelt. Diese wird dann bei neu anstehenden Projekten implementiert.“ So könne eine sukzessive Harmonisierung stattfinden. Zusätzlich solle die erarbeitete Standardkonfiguration zum Zwecke einer einheitlichen Datenlandschaft den externen Planungspartnern bereitgestellt werden. Das gelte nicht nur für Großprojekte. Die entwickelten Standards für die digitale Gebäudeplanung unterstützen, so Justyna, auch kleinere Umbauten von Standorten oder Betrieben, die in Eigenregie arbeiten. Diese könnten nun schon vorab Änderungen visualisieren, Berechnungen durchführen, Kosten kalkulieren und aufgrund dessen fundierte Entscheidungen treffen.
Herangehensweise der TGA-Planenden: Lösungsentwicklung „on the job“
Um eine realistische und praktikable Standardkonfiguration zu erarbeiten, begann Bayer Engineering ab Mitte 2022 mit der Bestandsdigitalisierung der TGA-Systeme eines ca. 4500 m² großen Berliner Laborgebäudes. Die Gebäudestruktur lag bereits digitalisiert vor. „So konnten wir die Standardkonfiguration gleich richtig entwickeln. Wiederkehrende Fragen und deren Lösungen haben wir direkt als Standard für uns festgeschrieben“, berichtet Justyna. Sie veranschaulicht weiter: „Es gibt gewisse Informationen, die wir grundsätzlich bei einem TGA-Projekt zu Beginn abfragen. Beispielsweise in der Lüftungsplanung: Erst gleichen wir Auszugtabellen und Farben ab. Daher haben wir festgelegt, dass zukünftig an jedem unserer Standorte gleiche Medien mit den gleichen Farben dargestellt werden. Wir haben gemeinsam mit den verschiedenen Gewerken bestimmt, welche Informationen mit welcher Tiefe auf die Pläne kommen, oder wie die Legenden aussehen sollen. Wir haben uns Schritt für Schritt geeinigt, aber auch Standards übernommen, wenn diese bereits im Großteil der vorhandenen Dokumente vorlagen.“
Gerade bereits bestehende Dokumente stellten sich im Pilotprojekt als Herausforderung heraus, so Justyna: „Wir haben eine so hohe Dichte von Einbauten, dass wir auch bei vorhandenen Dokumenten Begehungen vor Ort durchgeführt und Scans erstellt haben. Diese wichen oft von der bestehenden Dokumentation ab, und ließen nicht sofort eindeutige Aussagen zu. Meist machten wir zwei Scans, um sie zu vergleichen und zu diskutieren, bis wir ein Ergebnis hatten.“
MagiCAD für Revit: Schlüssel für einheitlichen digitalen TGA-Standard bei Bayer
Als zentrales Tool für die Entwicklung des anwendbaren globalen Standards führte Bayer zu Projektbeginn MagiCAD für Revit ein. Die TGA-Planungssoftware auf Revit-Basis (welches die Ingenieure und Ingenieurinnen der Bayer AG bereits in Nutzung hatten) verfügt nicht nur über umfassende Planungsfunktionen. Das modulare Werkzeug steht insbesondere für eine durchgängige Nutzung der technischen Gebäudedaten. Dies bedeutet, dass Informationen für Wartungspläne, Umplanungen und Betriebsführung direkt aus dieser Software abgeleitet werden können. Michael erläutert die Entscheidung für MagiCAD für Revit: „Bei uns tummeln sich so viele Gewerke in einem kleinen Gebäude – wir brauchten ein Tool, mit dem wir alle Gewerke erschlagen können. MagiCAD für Revit deckt viele verschiedene TGA-Bereiche ab, so dass wir nicht mehrere separate Tools anschaffen müssen. Wir können direkt integrierte und gewerkeübergreifende Berechnungen durchführen, ohne in andere Programme zu exportieren. Außerdem bietet MagiCAD für Revit die Umsetzung deutscher Normen, was viele andere Tools nicht tun. Zusätzlich ist diese Software global verfügbar. Das ist für unsere weltweit verteilten Standorte von großem Nutzen. So können wir die Software auch in Afrika, den USA oder später vielleicht auch mal in Asien einsetzen.“
MagiCAD Cloud bringt Zeiteinsparung durch verfügbare Revitfamilien
Ein beachtlicher Vorteil von MagiCAD für Revit, da sind sich Michael und Justyna einig, sei die Möglichkeit, bereits entwickelte Revit-Familien von TGA-Bauteilen aus der MagiCAD Cloud zu nutzen oder zügig selbst zu erstellen. Die hier verfügbaren BIM-Objektkataloge erlauben schnellen Zugriff auf Objekte der Gebäudetechnik inklusive umfassender Funktionsdaten für die technische Berechnung. Die TGA-BIM-Produkte können im DXF- oder RFA-Format sowohl herstellerspezifisch als auch neutral direkt in das Projekt geladen werden.
Eine enorme Zeitersparnis bringe die Verfügbarkeit von Revitfamilien. „Bei einem unserer Engineering-Partner sitzen zwei Personen ganzjährig und in Vollzeit an der Erstellung und Pflege dieser Familien. Diese Ressourcen haben wir bei Bayer nicht“, so Michael. Die Strategie von Bayer sei daher klar: „Warum soll ich mich um etwas kümmern, was es auf dem Markt zu kaufen gibt?“
Justyna bekräftigt: „Es ist zeitaufwendig diese Familien selbst zu entwickeln und dann weiter zu pflegen. Wir geben die Detailplanung von TGA-Systemen in der Regel ab. Das führte dazu, dass wir zwar digitale TGA-Modelle hatten, aber ohne Verbindung zum Datasheet der Komponenten, also ohne Parameter, und diese Daten nicht weiter nutzen konnten. In Rahmen des Pilotprojektes haben in unserem Auftrag zwei Kollegen unseres Partners die Entwicklung der Bayer-Familien-Starterkonfiguration mit MagiCAD für Revit übernommen. Im Normalfall haben wir während der Projektierung aber keine Extraleute dafür zur Verfügung.“
Dass das Bayer-Pilotprojekt zur TGA-Bestandsdigitalisierung ein Erfolg war, zeigte auch der zeitliche Rahmen: Mithilfe von MagiCAD für Revit konnte das Engineering-Team das vollständig digitalisierte TGA-Bestandsmodell nach nur neun, statt der anberaumten zwölf, Monaten fertigstellen – inklusive der eigens entwickelten digitalen Standardkonfiguration für zukünftige Projekte.
Über Bayer Engineering:
Die Engineering-Funktionen von Bayer kümmern sich um die Planung und Durchführung von Investitionsprojekten, den sicheren Anlagenbetrieb und technologische (Weiter-)Entwicklungen. Sie sind entlang des Lebenszyklus von chemisch-pharmazeutischen Anlagen für die drei Bayer Geschäftsbereiche „Pharmaceuticals“, „Consumer Health“ und „Crop Science“ tätig. Die Mitarbeitenden sind für ca. 340 konsolidierte Gesellschaften der Bayer AG in fast 80 Ländern im Einsatz: am Hauptsitz in Leverkusen und weiteren deutschen Standorten sowie international beispielsweise in Belgien, Brasilien, Indien, Mexiko, China und den Vereinigten Staaten.