Simple Antwort: erstmal nichts. Denn per se, ohne zielführende Anwendungsfälle und die richtige Haltung des Anwenders, tragen digitale Werkzeuge nichts zur Realisierung von Nachhaltigkeit bei.
Digitalisierung ist ein großer Begriff. Vom digitalen Zwilling über Blockchain, Cybersecurity, Drohneneinsatz, Smart „X“, Sensorik, Echtzeitüberwachung von Baustellen, Lean Production, Indoor Navigation, Robotik, KI-Anwendungen bis zu IoT und vielem mehr – ein weites Feld. Welche Chancen und Risiken bieten sich hier nun für Nachhaltigkeitsziele? Vieles ist noch nicht untersucht, einige Dinge lassen sich aber schon benennen.
1. Nachhaltigkeit und Planung mit Hilfe digitaler Gebäudemodelle haben eine große Gemeinsamkeit: Beides setzt auf frühe integrale Planung, was dem Gebäude zu Gute kommen kann. Dabei ist es wichtig, bereits in BAP (BIM Abwicklungs Plänen) und AIA (Auftraggeber-Informationsanforderungen) die Aspekte der Nachhaltigkeit anzulegen. Das dafür notwendige Wissen ist nicht automatisch gegeben, womit sich ein Kommunikations- und ggf. Bildungsbedarf bei BIM-Managern ergibt.
2. Variantenuntersuchungen mittels Simulationen oder Analysen, sowie AR und VR ermöglichen Nachhaltigkeitsaspekte früh in Entscheidungen einzubeziehen. So ist bei Themen der Ökobilanz (inkl. Materialdatenbanken) schon eine große Dynamik zu beobachten, ebenso wie bei Tageslicht und thermischem Komfort – weitere folgen.
3. Zukünftig werden mehr Daten und neue Quellen nutzbar, zum Beispiel Klimaprognosen für Energiemodelle, und die Quartiers- und Gebäudeebene miteinander verbunden. Dies bietet, im Hinblick auf Energieversorgung, Mikroklima, Biodiversität und Mobilität, viele neue Möglichkeiten, auch für den Bestand.
4. Verlässliche As-Built-Modelle zur Materialdokumentation für eine spätere Rückbaubarkeit (Stoffkreisläufe) und Reduktion der Betriebsverbräuche (technisches Monitoring, Ist-Soll-Abgleich) bieten große Potenziale. Diese bestehen auch für den Bestand durch eine dezidierte Aufnahme wichtiger Kennwerte der Gebäudequalität und Verbräuche.
Studien zur Digitalisierung zeigen, dass die Baubranche noch am Anfang steht. Die Herausforderungen der Standardisierung, Datengröße und -verfügbarkeit sind mittelfristig lösbar. Nicht absehbar ist, wie schnell mögliche Vorteile digitaler Planungsmethoden greifen. Der Klima- und Ressourcenschutz kann aber nicht warten, konsequente Nachhaltigkeit ist jetzt notwendig – schließlich erzeugen neue Gebäude Pfadabhängigkeiten bei Ressourcen und Energie.
Nachhaltiges Bauen und Betreiben ist mit dem DGNB Zertifizierungssystem schon heute möglich, inkl. Reporting nach Level(s) und SDG. Weiter verbesserte und neue digitale Werkzeuge werden in Zukunft zusätzliche Unterstützung bei Entscheidungen zu Nachhaltigkeitsaspekten bieten, sind aber keine Prämisse für mehr Nachhaltigkeit.
Zur Wahrheit gehört auch: Die Digitalisierung erhöht den Energie- und Ressourcenbedarf. Mehr Cloud-Dienste, leistungsstärkere Rechner, IoT-Anbindungen und das Training von KI-Modellen – alles vergrößert das Päckchen der grauen Energie bei Planung und Betrieb. Ob am Ende die stärker digital geplanten Gebäude in der Gesamtbilanz bei der Nachhaltigkeit dann positiv ausfallen, ist noch nicht absehbar.
Daher sollte man Nachhaltigkeitsaspekte als kritisches Prüfmoment bei der Digitalisierung immer mitdenken. Denn technologische Entwicklungen sollten, trotz aller erkennbarer Chancen, kein Selbstzweck sein – zumal, wenn es für akute Probleme schon Lösungen gibt, die man direkt anwenden kann.
Jürgen Utz, Abteilungsleiter der DGNB Akademie, für das BIM Magazin 2019